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Organspende braucht Vertrauen

(von Margot Papenheim)

 

Die Organspende-Zahlen in Deutschland sind in den letzten zehn Jahren dramatisch gesunken. Das Drehen an diversen Stellschrauben – wie bessere Finanzierung von Entnahmeoperationen oder mehr Freistellung für Transplantationsbeauftragte – wird allein keine Trendwende herbeiführen. Und auch nicht die mindestens ethisch fragwürdige Regelung, dass künftig die Transplantationsbeauftragen der Entnahmekrankenhäuser bereits vor Feststellung des Hirntods uneingeschränkt Einblick in die Patient*innenakten der Intensivstationen bekommen sollen, um „vorab“ potenzielle Organspender*innen zu identifizieren.

Darum tritt u. a. Bundesgesundheitsminister Spahn für die Einführung einer (doppelten) Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz ein. Als Evangelische Frauen in Deutschland sind wir dezidiert der Meinung: Die gesetzliche Grundlage für Organspende kann nur die freiwillige – und umfassend informierte – Entscheidung von (erwachsenen!) Menschen sein. Denn:

Definitionsgemäße Voraussetzung einer Spende ist Freiwilligkeit. Eine Widerspruchsregelung definiert jeden Menschen per se als potenzielle*n Organspender*in. Vom Vollzug der Organspende im Falle des Hirntodes würde ihn nur der ausdrückliche Widerspruch bewahren. Das wäre keine geringfügige Veränderung der geltenden Entscheidungslösung, sondern ein Paradigmenwechsel – und eine Pervertierung des Spende-Gedankens.

 Zudem setzt die gesetzliche Definition der gesamten Bevölkerung als potenzielle Organspender*innen die Annahme einer Art „Sozialpflichtigkeit“ des toten menschlichen Körpers (als „Ersatzteillager“) voraus. Dies entspricht nicht unserem christlichen Menschenbild. Und es ist unseres Erachtens auch nicht vereinbar mit der grundgesetzlich garantierten, unantastbaren Würde des Menschen, die über den Tod hinaus zu achten ist.

Das Argument, dass laut Umfragen „die meisten Menschen es doch eigentlich wollen“ und nur zu bequem sind, einen Ausweis auszufüllen – oder die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod scheuen – sticht nicht. Laut Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hätten bereits 2014 über 35 Prozent der Bevölkerung einen ausgefüllten Organspende-Ausweis haben müssen. Laut DSO-Statistik fanden im selben Jahr in den Entnahmekrankenhäusern 1.584 Gespräche zur Entscheidung zur Organspende statt – dabei lagen 194 Erklärungen der potenziellen Spender*innen vor; das sind 12,2 Prozent. Was wohl auch damit zu tun hat, dass Menschen in Umfragen so antworten, wie es vermeintlich politisch korrekt ist. Das reale Verhalten steht auf einem anderen Blatt.

Schließlich: Eine Widerspruchsregelung würde – vielleicht – zunächst die Organspende-Zahlen steigen lassen. Das Vertrauen der Bevölkerung in das Organspende-System würde sie ebenso wenig zurückgewinnen wie alle bisherigen Werbekampagnen für Organspende – verbunden mit moralischen Appellen und/oder Herunterspielen der Komplexität des Themas. Vertrauen braucht umfassende Information. Auch die Information, dass Spende-Organe (anders als Gewebe) nicht Leichnamen, sondern hirntoten Menschen entnommen werden. Information, die auch die ethischen Fragen anspricht, die mit der Transplantationsmedizin verbunden sind. Vertrauen ist die einzig tragfähige Grundlage, auf der Menschen sich für Organspende entscheiden. Daran könnte nicht einmal eine gesetzliche Widerspruchsreglung etwas ändern.

 

Zur Kampagne der Evangelischen Frauen in Deutschland für einen alternativen Organspende-Ausweis:
www.organspende-entscheide-ich.de